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BEWUSSTHEIT DURCH BEWEGUNG

Bewusstheit durch Bewegung – Aufrechte Haltung

Drei Dinge sind es, die nach Überzeugung des Gelehrten Moshé Feldenkrais und dem Entwickler der gleichnamigen Methode, den Menschen prägen:

VERERBUNG

ERZIEHUNG

SELBSTERZIEHUNG

Die ersten beiden Komponenten sind dem Menschen vorgegeben, die dritte jedoch hängt von seinem eigenen Willen ab. Der Mensch ist also Gegenstand und Opfer einer repressiven Erziehung (liberal, antiautoritär) und muss sich erst seiner selbst, d.h. auch seines Körpers und dessen Funktionen bewusst werden, wenn er wirklich Mensch sein will.

Die Methode, mit der das erreicht werden soll, ist ein bewusstes Training aller Funktionen, der geistigen wie der körperlichen. Du kannst sie auch SELBSTERZIEHUNG nennen.

Um dich selbst zu erziehen bedarf es allerdings ein paar Überlegungen die Moshé Feldenkrais als Basis seiner Arbeitsmethode heranzieht:

Das ICH-Bild

Die Entwicklungsstadien

Wo anfangen und dessen Warum

Struktur und Funktion

Die Richtung des Fortschritts

Dies ist ein Auszug aus dem Buch Bewusstheit durch Bewegung – „Der aufrechte Gang“ von Moshé Feldenkrais. Eine lohnende und anspruchsvolle Lektüre, Wert zu lesen.

Workshop Aufrechte Haltung

No 1 – das ICH-Bild

Jeder Mensch bewegt sich, empfindet, denkt und spricht auf die ganz eigentümliche Weise, dem Bild entsprechend, das er sich im Laufe des Lebens von sich gebildet hat. Um Art und Weise seines Tuns zu ändern, muss er das Bild von sich selbst ändern.

Dieses Tun besteht aus 4 Bestandteilen:

  • Bewegung
  • Sinnesempfindung / Wahrnehmung / kognitive Fähigkeiten
  • Gefühl
  • Denken

Um zu DENKEN, musst du wach sein. Deine körperliche Lage im Raum erkennen im Verhältnis zur Schwerkraft.

Um ein GEFÜHL fühlen zu können, brauchst du eine bestimmte Haltung und den Bezug zu einem anderen Lebewesen oder Gegenstand.

Damit du SEHEN, HÖREN oder BERÜHRUNG spüren kannst, muss deine Aufmerksamkeit geweckt werden – etwas was dich bewegt.

Um dich zu BEWEGEN brauchst du wiederum mindestens eines der vorherig genannten Bestandteile.

Bewegung ist die dem Menschen leichteste zugängliche Möglichkeit etwas zu ändern. Um dein Denken, deine Gefühlswelt und deine Sinneswahrnehmungen gezielt zu schulen und dein ICH – Bild neu zu betrachten, bedarf es demnach “nur” bewusster Bewegung.

No 2 – Entwicklungsstadien

Auf ganz natürlichem Weg gehst du, tanz du, sprichst du und dann ruhst du dich aus. Was du als selbstverständlich ansiehst, ist in Wirklichkeit eine sehr komplexe Kombination von Muskeln, Sehnen und Gelenken. Auch natürliche Tätigkeiten wie Kleider tragen und herstellen, Wolle verarbeiten, Arbeitsmaterial herstellen ist in allen Kulturen rund um den Erdball ähnlich. Manchmal mehr, manchmal weniger entwickelt.

So wie Tauben immer wieder zurückfinden und Bienen immer ihren eigenen Stock aufsuchen.

Du könntest das als globale Entwicklung sehen.

Was du daraus machst ist allerdings deine Sache. Du kannst das Laufen perfektionieren, weil du das Bedürfnis dazu hast, oder ein Handwerk verfeinern und deine eigene Kunst daraus machen.

Australier haben den Bumerang erfunden, Gebirgsvölker das Jodeln und die Südseeinsulaner das Kraulen.

Du könntest das als individuelle Entwicklung sehen.

In all diesen natürlichen Praktiken wurden Gemeinsamkeiten gefunden und daraus Methoden entwickelt. Ein Beispiel: unsere Kinder malen ganz natürlich. Leonardo da Vinci hat Grundsätze des Malstils entwickelt. Und im 19. Jahrhundert wurden diese Grundsätze genau definiert und als Kunstfach gelehrt.

Du könntest das als Methode oder Beruf sehen.

Wenn du an eine dir sehr gut geläufige Tätigkeit denkst, in welchen der Entwicklungsstadien siehst du dich? Und wenn du an etwas denkst das du gerne tun würdest und glaubst es nicht zu können, zum Beispiel singen – was hindert dich daran? An welches Entwicklungsstadium denkst du?

Was ich dir damit sagen möchte ist: was oftmals als “Gebiet für Spezialisten” also systematisches Vorgehen gilt und damit als unzugänglich gehalten wird ist gut, darf allerdings betreten werden. Mit Bewusstheit deinen Platz finden damit du frei atmen und dich frei bewegen kannst.

Workshop Aufrechte Haltung

 No 3 – Wo anfangen und dessen Warum

Wenn du dich mit dem Thema „Bewussheit durch Bewegung“ auseinandersetzt, dann stellst du dir vielleicht die Frage: ja wo soll ich da anfangen? Und warum solltest du das überhaupt tun?

Die momentane Zeit spricht für sich. Bewusst handeln und sich selbst wirklich kennen zählt mehr denn je. Und ich spreche hier nur aus der Sicht der Bewegung und was du mit dieser Bewusstheit erzielen kannst.

Lass mich an dieser Stelle ausholen: damit du etwas ändern kannst, musst du wach sein. Bist du bewusst bei Bewusstsein, dann spreche ich hier von Bewusstheit. Diese Form des Wach seins beinhaltet:

  • deine Sinnesempfindungen (hören, riechen, sehen, schmecken, tasten)
  • deine Gefühle (Freude, Zorn, Kummer, Selbsteinschätzung, Ehrgeiz, Ungeduld…)
  • dein Denken (Gegenüberstellung rechts und links, gut und böse, Erkennen von Regeln, Erinnerung…)
  • deine Bewegung (Veränderungen des Körpers in Raum und Zeit, Atmung, Essen & Trinken, Sprechen, Herz- und Blutkreislauf…)
  • und deinen kinästhetischen Sinn (u.a. Schmerzempfinden, Orientierung im Raum, Zeitgefühl, Rhythmus)

Bewegung nun vereinfacht erklärt: Ein Muskel zieht sich zusammen infolge einer endlosen Reihe an Impulsen deines Nervensystems. So wie du gerade aufrecht stehst mit deinem Gesichtsausdruck, deiner Stimme, all das spiegelt also den Zustand deines Nervensystems wider. Umgekehrt bedeutet das: willst du etwas an deiner Haltung, deinem Ausdruck oder deiner Stimme ändern bedarf es einer Änderung im Nervensystem.

Das Nervensystem also ändern? Mit feinen, oftmals muskulär kaum spürbaren Bewegungen, oder mit total neuen Muskelkoordinationen kannst du dein Nervensystem sehr wohl in eine neue Richtung lenken und ein neues Bild deiner Beweglichkeit schaffen. Genau hier setzt die Möglichkeit an Gewohnheiten zu ändern. Mit Bewusstheit durch Bewegung.

Übung: leg dich auf den Rücken und spür den Kontakt zum Boden. Was liegt auf? Was ist abgehoben. Dann beginn den rechten Arm aus der Schulter heraus zu heben. Lass dabei das Handgelenk locker, so dass deine Finger als letztes den Boden verlassen. Heb den Arm nicht höher als 10 Zentimeter. Setz den Arm mit genau derselben Bewusstheit wieder ab. Mach dies 20 Mal. Lass dann den Arm liegen und spür den Unterschied zum anderen Arm, zu deiner ganzen anderen Körperseite.
Fazit: ohne muskuläre Anstrengung kann sich dein Nervensystem neu organisieren und deine Körperempfindung ändert sich. Du wirst deinen Arm anschließend leichter bewegen können.

Du möchtest einfach wissen ob das gut ist für dich? KONTAKTIERE mich einfach.

 No 4 – Struktur und Funktion – eine Annäherung zum Begriff BEWUSSTHEIT

Hier ist unser menschliches Gehirn gemeint – ohne dem geht gar nix. Da ist einmal jener Bereich, der unsere Körpertemperatur und chemische Vorgänge in unserem Körper reguliert. Also alles was innen in unserem Körper zu funktionieren hat, ohne unser zutun. Denn was z.B. die Leber alles zu leisten hat, wollen wir wahrscheinlich gar nicht wissen. Hier sind alle Funktionen vererbt – gut so.

Kommt es allerdings zu instinktiven Handlungen, spricht die Wissenschaft vom limbischen System. Wir essen, weil wir Hunger verspüren (im richtigen Maße gemeint). Ist der Hunger gestillt, lässt dieses Bedürfnis nach. Der Vogel, der von Generation zu Generation weiß, wie er ein Nest zu bauen hat handelt instinktiv.

Doch so ganz lässt sich der Instinkt nicht vererben. Ein bisschen verändert er schon seine Eigenheiten. Ein Neugeborenes z.B. beginnt eventuell nicht instinktiv zu saugen, sondern erst wenn die Lippen mit der Brustwarze der Mutter gereizt werden. Und genau hier kommt zum ersten Mal verstehen und lernen ins Spiel.

Der Mensch beginnt zu Differenzieren. Dieser Teil des Gehirns, das supralimbische System, ist beim Menschen viel höher entwickelt als bei anderen höher entwickelten Tierarten. Genau dieses System ermöglicht uns die Fähigkeiten wie schreiben, malen, musizieren, die Kombination von Lauten und vielem mehr.

Jetzt kommt das Menschsein ins Spiel. Einerseits bekommen wir tolle Fähigkeiten vererbt, andererseits machen wir individuelle Erfahrungen. Wir haben die Fähigkeit eine Sprache zu lernen, welche hängt natürlich von unserem Geburtsort ab. Jede Sprache formt unsere Sprachwerkzeuge in unterschiedlicher Weise. Daher werden wir immer einen deutschen Akzent haben, wenn wir English sprechen (Ausnahmen gibt’s natürlich immer).

Die Arbeit von Moshé Feldenkrais bezieht sich auf Bewusstheit. Wo und in welchem dieser oben genannten Systeme befindet sich aber diese Bewusstheit? In keinem der Drei, weder dem ältesten wo alles automatisch passiert noch das limbische noch das supralimbische, sondern irgendwo dazwischen.

Am besten ein Beispiel: du möchtest über die Straße gehen und hast die Absicht einen Schritt vom Gehsteig zu machen. Was du übersiehst ist das Auto, welches zu schnell daherkommt. Was läuft ab? Die Nervenbahnen deines supralimbischen Systems, welche jetzt die Handlung ausführen möchten, sind zum Glück länger als die der beiden anderen Systeme. Diese beiden anderen Systeme handeln schneller und hindern dich daran diesen womöglich fatalen Schritt auf die Straße zu machen. Die Handlung (das Über-die-Straße-gehen) wird verzögert. Es entsteht eine Pause zwischen Denkfigur einer Handlung und deren Ausführung. Diese Pause bildet die physische Grundlage der Bewusstheit. Du kannst genau in dieser Pause über dein Tun entscheiden. Du lernst dich selbst kennen.

Lebensnotwendig ist Bewusstheit nicht (im obigen Fall allerdings sehr wohl). Ein Vorteil über dich selbst bestimmen zu können alle mal. Also auf zum homo humanus, des wahrhaft ganzen Menschen.

 No 5 – Die Richtung des Fortschritts

Jeder hat zwei Welten: seine eigene und die, welche allen gemein ist.

In der eigenen Welt ist auch die gemeinsame Welt enthalten, wird mit dir geboren und stirbt mit dir.

In der anderen Welt, der gemeinsamen, bist du nur ein Tropfen Wasser im Ozean.

Du gestaltest dein Leben und setzt dir Ziele. Du träumst von Glück, Reichtum, Wissen oder von Gerechtigkeit. Die Strukturen in deinem Nervensystem gehen dahin, deine Bewusstheit zu erweitern. D.h. deine Fähigkeiten zu erhöhen. Hier möchte ich nochmals unterscheiden zwischen Bewusstheit und Bewusstsein anhand eines Beispiels:

Du kannst bei vollem Bewusstsein die Treppe deines Hauses hinaufgehen und doch nicht wissen wie viele Stufen du gegangen bist. Um herauszufinden wie viele es sind, gehst du ein zweites Mal über die Treppe und zählst die Stufen, während du dir dabei zuhörst. Du lenkst also deine volle Aufmerksamkeit darauf was tust. Bewusstheit ist also Bewusstsein + Erkennen was dabei vor sich geht.

Wissen, dass du weißt, dass du etwas NICHT weißt.

In der Bewegungsarbeit, die ich dir hier vermitteln möchte, bedeutet das vereinfacht gesagt: je tiefer du in Bewegungsabläufe eintauchst umso klarer wird das Verständnis deiner eigenen Bewegung. Du kommst zu dem Punkt von Bewusstheit durch Bewegung und kannst entscheiden wohin deine Richtung zeigt.

Eine Geschichte aus Tibet

Ein Mensch, der sich seiner nicht bewusst ist, gleicht einem Wagen, dessen Fahrgäste die Begierden, dessen Pferde die Muskeln und der Wagen selbst das Skelett ist. Die Bewusstheit ist der schlafende Kutscher. Solange er schläft, wird der Wagen ziellos bald hier hin, bald dorthin gezerrt. Jeder Fahrgast will an ein anderes Ziel, jedes Pferd zieht in eine andere Richtung. Ist der Kutscher wach und hält die Zügel, so wird er Pferde und Wagen so lenken, dass jeder Fahrgast sein Ziel erreicht.

Workshop Aufrechte Haltung

Alle Liebe auf deinem Weg zu mehr Bewusstheit.

Susanne Schlesinger